Denkanstöße

 

HorrorSkop!

 von Gabriele Gerlach

 

 

Kennen Sie das auch?

Wenn sich das alte Jahr dem Ende zuneigt, dann neigt man auch gerne dazu, sich Gedanken zu machen.

 

Gedanken wie: 

Hab ich alles richtig gemacht? – oder was hab ich wieder alles falsch gemacht? Was lief nicht nach Plan … oder gar nicht?

 

Und dann denkt man darüber nach, warum – und, wer oder was vielleicht daran Schuld haben könnte

 

Also, ich denke da schon drüber nach!

 

Und wenn ich ehrlich sein darf, ich bin nicht gerne ganz allein an all dem Schuld, was da so schief lief.

 

Sollte ich wirklich selbst daran schuld sein, dass ich nicht abgenommen habe? Meine Waage, immer noch stur und uneinsichtig, will die 70 kg Marke scheinbar unbedingt halten. Wenn sie jetzt denken, das wäre nicht viel, dann muss ich ihnen sagen, dass ich weiblich und 1,68 groß bin – und dann ist das viel.

 

Aber kommen wir wieder zum Thema. Ich hatte vor genau 12 Monaten den wirklich ehrlichen Vorsatz – und ich habe mir auch wirklich alle Mühe gegeben. Ich habe weniger gegessen, ich habe öfter auf meine heiß geliebte  Schokolade verzichtet und ich habe mich mehr bewegt. Warum hat sich dann aber gar nichts bewegt, auf meiner Waage? Gut, ich bin alt genug um zu wissen, dass die Waage keine Schuld trifft. Aber, wer oder was in Gottes Namen dann, wenn ich mich doch wirklich bemüht hatte?

 

Vielleicht hätte ich mit Geschirrspülmittel duschen sollen, das verspricht so einiges in Sachen „Fett weg in Sekunden“.

 

Oder die Sache mit meinem Bankkonto! Auch da hatte ich einen guten Plan. Trotzdem bekomme diese verflixte Zahl einfach zu selten in den schwarzen Bereich. Ja ja, ich weiß was Sie mir sagen wollen, das geht doch den meisten Leuten so. Nur, ich hatte mir fest vorgenommen, meine Einnahmen zu erhöhen und meine Ausgaben zu reduzieren. Ich will doch endlich mal was auf die hohe Kante legen können – für später.

 

Das mit den mehr Einnahmen hat irgendwie nicht wirklich geklappt. Es war viel zu wenig 'Mehr'. Und die Ausgaben? Ja, die wurden mehr! Aber es war eben mehr 'Mehr' auf der falschen Seite!

 

Woran liegt es, frage ich Sie? Die Steuern, die Regierung, der Ölpreis, die Bankenkrise, oder doch an meiner eigenen finanzistischen Unfähigkeit, Geld richtig zu vermehren?

 

Wahrscheinlich sollte ich viel mehr kaufen – dabei kann man nämlich ganz viel sparen. Das behauptet zumindest die Werbung ständig.

 

Gott sei Dank mag ich keine Zigaretten, denn dann hätte ich sicher noch mehr mies-fühl-Potential.

 

Aber, wie gefragt, wer trägt die Schuld an diesem Dilemma?

 

Während ich mich noch so vor mich hin ärgere und gefrustet in einer Zeitschrift blättere, springt es mir ins Auge. Das Horoskop fürs nächste Jahr. Hektisch fange ich an zu lesen. Meine Voraussage in Sachen Liebe und Leid, Finanzen und Job, Freundschaften, Feindseligkeiten, Gesundheit, Kraft und Ausdauer, Chancen und Bedrohungen. Und es sieht gut aus für mich!

 

Irgendwie scheint das neue Jahr genau mein Jahr zu werden! Meine Sterne stehen günstig, irgendwelche Häuser stehen offen, die Bahnen scheinen ungestört, die Einflüsse kommen aus den richtigen Konstellationen.

 

>>Prima! Ich bin erleichtert.<<

 

Das also wird mein Jahr und jetzt steht meinen Wünschen, Zielen und Bemühungen nichts mehr im Weg. Im Gegenteil, dieses Jahr wird mir geholfen, von allen Seiten – und besonders von oben! Ich bin mir zwar nicht sicher, ob man Horoskopen glauben soll, aber wenn sie gut sind, schadet es auch nicht. Während ich mich noch so freue, dämmert mir auch, wer für meine gescheiterten Bemühungen des ausklingenden Jahres verantwortlich is

 

Die Sterne! Natürlich, warum bin ich nicht schon früher drauf gekommen.

 

Und wenn ich jetzt das Horoskop vom letzten Jahr hätte, dann könnte ich beweisen ...? Die Zeitschrift würde mir das Horoskop sicher heraussuchen, wenn ich sie darum bitte. >>Nein, ich will es nicht.<< Ich habe einen Schuldigen gefunden und ich möchte mich dieser Illusion jetzt nicht mehr berauben lassen. Was würde es auch nützen noch nachzufragen, das Jahr ist sowieso gelaufen.