Weihnachtsgeschichte 2017 von Gabriele Gerlach

 

 

Das  kunterbunte Weihnachtsglück

 

Das Leben von Emil war bisher noch nicht sehr aufregend gewesen. Im Sommer, als er in der Werkstatt von Schreiner Lutz gedrechselt wurde, dachte er noch, dass er bald die große weite Welt kennen lernen würde, doch statt dessen stand das bunt angemalte Holzmännlein im Regal der Werkstatt und sah zu, wie der Schreiner Lutz Holzsterne schnitzte. Über ihm auf dem Regal standen noch andere hölzerne Gesellen. Emil konnte sie nicht sehen, aber zumindest unterhalten konnten sie sich.

 

Eines Tages, als es draußen schon kalt war und Emil durch das Fenster beobachtete, wie dicke weiße Flocken vom Himmel fielen, war es endlich soweit. Emil zitterte vor Freude, als der Schreiner verkündete, dass sie nun zum Weihnachtsmarkt gehen würden. Ach ja, irgendwie war es schon sehr gemütlich in der Werkstatt gewesen, dachte das bunte Räuchermännchen. Doch jetzt, jetzt ging es hinaus in die große weite Welt, von der er schon so viel gehört, aber noch so wenig gesehen hatte.

 

Als Emil auf dem Weihnachtsmarkt in der festlich geschmückten Bude aus der Kiste geholt wurde, sah er seine Freunde zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht und erschrak fürchterlich. Gruselig sahen die anderen aus – groß, viel zu groß für Emil, und mit grauenvollen Mäulern.

„Was schaust du so?“, fragte Hermine, und ihr großer Mund mit den riesigen Zähnen klappte dabei auf und zu, „Wir sind Nussknacker. Jedes Jahr kommen viele Leute zu diesem Weihnachtsmarkt, um uns zu bewundern."

„Ah ha“, stotterte Emil noch etwas verstört, als er bemerkte, dass die Frau des Schreiners über Hermine redete.

„Die steht nun schon das dritte Jahr hier. Eine Nussknackerfrau mit Blumenkleid, Was hast du dir dabei nur gedacht? Und diesen kunterbunten Kasperle-Räucher-mann will bestimmt auch keiner. Die taugen doch nur als Futter für den Holzofen.“

Ach Herrjeh! Emil kämpfte mit den Tränen.

„Nein nein, das geht nicht“, lachte Lutz mit einem Augenzwinkern. „Dann bleiben die beiden eben für immer in meiner Werkstatt. Sie sind doch das ideale Ehepaar, findest du nicht?“

Gut, das war besser als der Ofen. Aber der Gedanke, den Rest seines Lebens mit dieser großmäuligen Hermine verbringen zu müssen, gefiel Emil auch nicht wirklich.

Hermines rote Holzbacken glühten. „Dass das klar ist, mach dir bloß keine Hoffnungen, ich werde ganz sicher verkauft“, zeterte sie.

Emil hoffte doch. Aber auf ein Weihnachtswunder, auf eine gute Fee oder noch besser, auf das Christkind, das ihn mit in den Himmel zu den vielen funkelnden Sternen nehmen würde.

 

Über dem Weihnachtsmarkt lag ein Duft von gebrannten Mandeln und Glühwein. Gelegentlich zogen auch Schwaden von Bratwurstduft vorbei, aber das Wunder blieb aus. Die Tage vergingen und all die ordentlich uniformierten Nussknacker waren verkauft. Hermine hoffte nun inständig, dass der bunte Räuchermann übrig bleiben würde, damit sie den Winter über nicht schon wieder so allein in der Werkstatt stehen würde. „Eigentlich ist er ja doch ganz nett“, dachte sie und lächelte.

Gerade als Emil ihr genau das Selbe sagen wollten, kamen zwei junge Leute. „Ahhhh, ist der süß! Schau mal Sven“, juchzte die Frau ihrem Freund zu. „Der wäre doch was für meine Sammlung!“

Und noch bevor Emil sich recht versah, machte ihn die Schreinersfrau zum Sonderangebot, wickelte ihn eilig in weißes Seidenpapier und packte das Bündel in eine Schachtel. Emil wehrte sich und schrie. Er wollte sich doch noch von Hermine verabschieden, aber das Papier erstickte seine Rufe.

 

Zuhause bei der netten Frau wurde Emil ausgewickelt und auf eine Anrichte gestellt. Er blickte sich um. Überall im Wohnzimmer standen lustige Weihnachts-figuren, alle kunterbunt. Emil wurde warm ums Herz. Er war nur noch ein ganz kleinwenig traurig, weil er an Hermine dachte, die jetzt allein zurück in die leere Werkstatt musste.

Am Heilig Abend wurde es hektisch in Emils neuem Zuhause. Marie, die junge Frau schmückte einen kleinen Weihnachtsbaum mit quietschbunten Kugeln und legte knallbunte Päckchen darunter. Dann zog sie eine nikolausrote Schürze an und kochte. Es roch herrlich. Kurz darauf kam Sven, der Freund der jungen Frau. Nach dem Essen packten sie die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum aus. Als letztes bekam Marie von ihren Freund noch ein längliches Päckchen. Und zur großen Überraschung von Emil lag darin seine Freundin Hermine.

„Ahhhh, die Nussknackerdame vom Weihnachtsmarkt“, rief Marie begeistert. „Die war mir auch aufgefallen, aber ehrlich gesagt waren mir die Nussknacker viel zu teuer. – Oh danke Sven, das ist sooo lieb von dir.“

     Sven bekam von Marie einen dicken Kuss. Dann wurde die Nussknackerfrau neben Emil auf der Anrichte platziert … und die Beiden schielten sich überglücklich an.

 

 

In diesem Sinne wünsche ich ein fröhliches Weihnachtsfest

im Kreise Eurer Liebsten

sowie ein gesundes und glückliches Jahr 2018